50 Jahre Duales Studium und 10 Jahre DHBW Heilbronn: Rektorin Prof. Dr. Nicole Graf im Jubiläums-Interview

Sie ist eine tragende Säule der Wissensstadt und hat sich mit ihrer Aufbauleistung für den Hochschulstandort Heilbronn viel Anerkennung erarbeitet. In unserem Jubiläumsinterview spricht die Gründungsrektorin Prof. Dr. Nicole Graf über die neue Pläne für das Portfolio der DHBW Heilbronn und über den Weg Heilbronns von der Industrie- zur Wissensstadt.

Was bedeutet Ihnen persönlich das 50-jährige Jubiläum der Hochschule?
Das duale Studium gilt als Erfolgsmodell made in Baden-Württemberg. Im Vergleich zu den altehrwürdigen Universitäten, die oft seit vielen hundert Jahren bestehen, blickt die DHBW auf eine vergleichsweise junge Geschichte zurück. Allerdings hat sie es in kurzer Zeit geschafft, die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg zu revolutionieren. Die DHBW hat es verstanden, Theorie und Praxis in einer Weise zu verknüpfen, die nicht nur Studierende hervorragend auf die Anforderungen der Berufswelt vorbereitet, sondern auch der Wirtschaft in Baden-Württemberg qualifizierte Fachkräfte liefert. Dieses Modell ist mittlerweile so erfolgreich, dass unser Original nicht nur deutschlandweit, sondern auch in der ganzen Welt übernommen wird. 

Für mich persönlich ist dieses Jubiläum auch ein Symbol für die Stärke und den Erfolg der Praxisintegration, den wir leben. Es zeigt, dass unser Engagement für eine qualitativ hochwertige Bildung, die eng mit der Industrie verzahnt ist, von großer Bedeutung ist und weiterhin Zukunft hat. Als jüngstes Mitglied der DHBW-Familie ist die DHBW Heilbronn stolz darauf, Teil und auch Motor dieses Erfolgs zu sein. Gleichzeitig haben wir sozusagen als Keimzelle 2011 mit den Grundstein für die Entwicklung des Bildungscampus gelegt. 

Welche Momente der letzten Jahre sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
In den vergangenen Jahren hatte ich das Privileg, viele besondere Momente nicht nur mitzuerleben, sondern den Weg dahin auch zu gestalten. Wir haben eine derart rasante Entwicklung durchlaufen, so dass es mir schwerfällt, einige wenige Momente herauszugreifen. Dazu zählen für mich der Aufbau des DHBW-Campus Bad Mergentheim unter meiner Leitung. Danach folgte 2010 die Gründung des Standortes Heilbronn. Ein Beispiel ist sicherlich die erste Graduierung 2013 hier am Bildungscampus in Heilbronn, bei der wir unsere ersten 83 Alumni in ihre berufliche Zukunft verabschiedet haben. Ein markantes Jahr war 2014, in dem Heilbronn ein eigenständiger Standort wurde, das CAS der DHBW seine Türen auf dem Bildungscampus öffnete und die DHBW das letzte große Jubiläum feierte – 40 Jahre DHBW. 

Auf welche Erfolge der Hochschule sind Sie besonders stolz?
Auf jeden Fall auf das Ergebnis unseres ersten CHE-Rankings, bei dem wir aus dem Stand heraus in allen elf Kategorien Bestnoten erzielt haben. Diese Auszeichnung ist ein Beweis für die hohe Qualität unserer Lehre und Infrastruktur und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, wenn es darum geht, unseren Studierenden die bestmöglichen Bedingungen für ihren Erfolg zu bieten.
Und natürlich auf all unsere Absolventen und Absolventinnen, die wir in den letzten Jahren verabschiedet haben und mit denen wir immer noch eng verbunden sind.

Welche Pläne und Projekte sind in der nahen Zukunft geplant, um die Hochschule weiterzuentwickeln?
In den letzten Jahren haben wir unser Studienangebot in Abstimmung mit den Bedarfen der Wirtschaft ständig erweitert, z.B. durch unsere neuen digitalen Studienangebote in der Wirtschaftsinformatik und ganz neu der Studiengang Data Science und Künstliche Intelligenz. 
Aber auch unsere Stärke im Lebensmittelsektor konnten wir über die Jahre behaupten: Mittlerweile sind wir Deutschlands Handelshochschule Nummer eins und haben interdisziplinäre und innovative Studiengänge wie Wein – Technologie – Management und Personalisierte Ernährung in unser Portfolio aufgenommen. (Sozialwesen?) 

Wie hat sich das Profil der Studierenden im Laufe der Jahrzehnte verändert? Gibt es bemerkenswerte Alumni, deren Erfolge Sie hervorheben möchten? 
Den dualen Studenten oder die duale Studentin an sich gibt es natürlich nicht. Aber trotzdem haben alle dualen Studierenden viele Gemeinsamkeiten: durch das kompakte Studium lernen sie schon früh, Einsatz zu zeigen und unter Zeitdruck Höchstleistungen zu bringen. Das macht sie innerhalb von nur drei Jahren fit für den Einsatz im Unternehmen. Die Lebensläufe unserer Alumni beweisen, was alles möglich ist: von der selbstständigen Unternehmerin bis zur Vorständin eines großen Konzerns. 

Welche Rolle spielen Innovation und Digitalisierung in der aktuellen und zukünftigen Strategie der Hochschule?
Gerade in der Coronazeit hat die Digitalisierung der Lehre – wie auch an allen anderen Hochschulen – einen großen Schub erhalten. Mittlerweile haben wir neue und digitale Lehrmodelle in unsere Studienpläne integriert. Auch in der Bildungsforschung sind wir dabei, sogenannte Microcredentials einzuführen, die europaweit bei all unseren Partneruniversitäten absolviert und anerkannt werden können. 

Wie hat sich die Internationalität der Hochschule entwickelt? Welche internationalen Kooperationen und Partnerschaften sind besonders wichtig für die Hochschule?
Unsere internationalen Beziehungen ermöglichen es unseren Studierenden, weltweite Netzwerke zu knüpfen und wertvolle interkulturelle Erfahrungen zu sammeln. Auch unsere Dualen Partner unterstützen die Auslandsmobilität in Form von Auslandspraktika oder Austauschprogrammen. Generell wächst das Interesse unserer Studierenden an einem Auslandssemester. Selbst während der Corona-Krise haben mehr als 40 Studierende an internationalen Hochschulen studiert. Die langjährigen Verbindungen z.B. mit unseren Partnern in Südkorea, Singapur und den USA stärken nicht nur unsere globale Wettbewerbsfähigkeit, sondern bereichern auch das akademische Leben auf unserem Campus. 
Seit einem Jahr ist die Duale Hochschule Teil des Netzwerks EU4Dual. Mit unserer Erfahrung im Bereich der Bildungsforschung konnten wir schon früh Forschungsnetzwerke knüpfen und haben den Grundstein für dieses Modell-EU-Projekt gelegt. 

Wie engagiert sich die Hochschule in der lokalen Gemeinschaft und in gesellschaftlichen Projekten? Welche Rolle spielt die Hochschule in der regionalen Entwicklung?
Heilbronn und die DHBW verbindet seit der Gründung eine sehr fruchtbare Beziehung: Sei es durch das „Schwarmstadt“-Projekt, den Genderreport,  unsere Studierendenprojekte mit Kultur- und Sporteinrichtungen oder auch Machbarkeitsstudien für das Heilbronn der Zukunft. Ich denke da an die Markthalle Heilbronn oder die Surfwelle. Aber auch durch unsere eigenen Veranstaltungen wie die Vernissagen, das Studium Generale oder die Nacht der Wissensstadt bringen wir die DHBW und die Bürger Heilbronns einander näher. 
Ein wichtiger Punkt darf natürlich nicht fehlen: Neben der sogenannten Third Mission spielt unser Bildungsauftrag für die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken eine zentrale Rolle. Wir sind aber nicht nur Bildungspartner, sondern tragen aktiv zum Wissenstransfer in der Region bei.