Ausstellung AUGENBLICK eröffnet: Von der Faszination des Alltäglichen

Verblühte goldfarbene Tulpen, knallgelbes Spülmittel und verbrannte Wunderkerzen – was der Alltag an Schönheit bietet, Claudia Guinard entdeckt es. Ihr Ding ist das Detail, die Struktur, der neue Blick. Mit der Ausstellung AUGENBLICK im Foyer der DHBW Heilbronn lässt sie alle teilhaben an ihrer Sicht auf die Welt. Die erste Werkschau der Künstlerin wurde gestern mit einer Vernissage eröffnet.

Schon bevor Prof. Dr. Otto Weidmann die Gäste begrüßte, strömten die Besucher durch die Stockwerke. „Kunst ganz nah am Puls der Zeit“, freute sich nicht nur der Prorektor der DHBW Heilbronn. Auch Studierende des Studiengangs Fashion Management diskutierten mit Guinard über ihre Werke. Laudator Günter Minas - Publizist, Filmproduzent und Ausstellungsmacher – pries Kreativität, Meisterschaft und Erfahrung mit den Worten: „Wofür mancher Studiofotograf Stunden braucht, das entdeckt Claudia Guinard nebenbei.“  

Verwitterte Wände, rostige Fassaden, zerrissenes Papier auf Plakatwänden – reizlose Orte entfalten in Guinards Werken eine bizarre Schönheit. Nein, hier ist nichts inszeniert. Zeit und Wetter schaffen ihre Kunst. Die schmalen schwarzen Wasserläufe auf den breiten Pinselstrichen? Regen auf dem Fenster. Das Farbspiel auf den maroden Wänden? Rostschichten und Grünspan.

Guinard geht nicht nur ganz nah heran, sie geht tief hinein. Ihr Fotoapparat funktioniert wie ein Mikroskop: Unter der Linse enthüllen die Motive eine besondere Wirkung. Je tiefer man kommt, je näher man geht, desto fantastischer wird die Welt, desto abstrakter werden die Strukturen. Ihre Fotografie überquert die Grenzen zur Malerei und zur Grafik.

Seit vielen Jahrzehnten arbeitet Guinard in der Modebranche. Schönheit ist ihr Metier. Doch mit ihren Fotografien hat sie den Sprung ans andere Ufer gewagt. Weg von einer Welt des Glitzer und Glamour, einem schnellen Blick auf das Offensichtliche. Hin zu der Schönheit im Alltag, dem Glanz des Vergänglichen und dem Blick nach innen. Ihre Werkschau AUGENBLICK nimmt den Besucher auf eine Reise durch die letzten sechs Jahre. Begonnen hat Guinard den Weg mit konkreten Motiven: Die pralle Traube, der schwarz-weiße „Major Tom“ oder die in der Zeit vergessene „Mrs. Bluesky“. Über die Jahre hat sie ihren Schwerpunkt auf die malerische Fotografie verlagert.

Das Material ist Teil des Werkes, der Abstraktion. Manchmal scheinen Wellen durch die Oberfläche zu brechen, die optische Täuschung ist perfekt. Man möchte mit dem Finger über das Foto wischen. „Momentan ist Papier mit Aquarellstruktur mein Favorit. Ich habe mit vielen Sorten experimentiert, bis ich genau diese Wirkung erzielt habe.“ Guinard fotografiert mit einer Spiegelreflexkamera, aber auch das Smartphone ist immer dabei. Einige der Werke – zum Beispiel red_blush und shining_susan – sind mit der Handy-Kamera entstanden.

2012 entdeckte Guinard ihre Leidenschaft für das Sammeln von Augenblicken: „Spaziergänge mit der Familie sind mittlerweile anstrengend geworden. Ich nehme so viel wahr, am Ende bin ich ganz ausgelaugt.“ Ihr Mann muss sich öfter umdrehen und nach ihr schauen. Wie ein Kind steht sie am Wegrand und staunt. Der perfekte Augenblick für die nächste Aufnahme.