Corona, Online-Lehre und nun? Studierende ziehen Fazit und entwickeln neue Strategien

In einem Online-Workshop in dieser Woche zogen Studierende des vierten Semesters im Studiengang BWL-Dienstleistungsmanagement/Consulting and Sales ein erstes Fazit nach ihrem zweiten virtuellen Theorie-Semester. Im Dialog mit Prof. Dr. Thorsten Krings sprachen sie über die Vor- und Nachteile der Online-Lehre, ihre steile Lernkurve und entwickelten erste Ideen für das Studium nach Corona. Parallel führte das Education Support Center nicht nur zahlreiche Schulungen externer Dozent*innen durch, sondern werteten eine erste Umfrage zur Online-Lehre an der DHBW Heilbronn aus. Das Ergebnis: Die Mehrheit der Studierenden war zufrieden mit dem Ablauf und wünscht sich auch nach Corona einen hybriden Mix aus virtuellen und Präsenzvorlesungen.

Die Corona-Pandemie hat die DHBW Heilbronn vor enorme Herausforderungen gestellt und zu einem Digitalisierungsschub in der Lehre geführt. In kurzer Zeit mussten nicht nur die Professor*innen, sondern auch eine Vielzahl externer Dozent*innen und natürlich die Studierenden im Umgang mit neuen digitalen Tools geschult werden. Die Online-Lehre brachte neue didaktische Formate hervor und stellte ganz neue Fragen im Umgang miteinander.

Erste Erfahrungen aus der Online-Lehre
Johannes Ziern, dualer Student bei der Förch GmbH & Co. KG, und seine Kommiliton*innen waren sich einig: „Der Start ins zweite Online-Semester ist relativ reibungslos verlaufen“. Teamleistung ist das Stichwort: Neben den zahlreichen Mitarbeitern hinter den Kulissen verdankte der Kurs DLM-19-1 vor allem der engagierten Kurssprecherin Amina Mohamed, dass Lerngruppen organisiert wurden, Material per Whatsapp weitergeleitet wurde und das auch mal ein Dozent älteren Semesters von ihr durch die Online-Vorlesung begleitet wurde.

Ein ganzer Tag vor dem Bildschirm und nur wenige Quadratmeter zur Bewegung stellte hohe Anforderungen an die Studierenden. Das größte Problem war es, auch nach vielen Stunden die Konzentration am Bildschirm aufrecht zu erhalten. Der richtige Mix aus verschiedenen didaktischen Formate half, auch bis spät in den Abend am Ball zu bleiben. Wenn Selbstlernphasen mit interaktiven Vorlesungen und Ruhepausen abwechselten, war der Lerneffekt am höchsten.

Neue Lernstrategien entwickelt
Trotz aller Nachteile birgt die Online-Lehre auch große Chancen. Laura Voigt, Studentin bei Baier und Schneider, freute sich über den Freiraum beim Lernen: „„Mir hat das Online-Semester gut gelegen. Ich konnte in meinem eigenen Tempo arbeiten, die Arbeitsatmosphäre in der Gruppe war viel ruhiger und entspannter. Das hat sich auch in meinen Leistungen bemerkbar gemacht. Der Nachteil der vielen Zeit am Bildschirm: Ich brauche jetzt eine Brille.“

Diese Aussage bestätigt die Einschätzung von Prof. Dr. Thorsten Krings: Seiner Ansicht nach haben die dualen Studierenden durch die Pandemie ein Stück weit ihre Konsumhaltung aufgegeben, viel mehr Eigeninitiative entwickelt und sich Sachverhalte selbstständig erarbeitet. Das Thema Hochschule spiegelt auch die digitale Teilhabe im Land wieder: „Manche Regionen sind mit einer schlechten Internetverbindung ausgestattet, was dann die Studierenden zu spüren bekommen.“ Vor allem bei Online-Prüfungen oder beim Abgabetermin von Seminararbeiten ist eine gut funktionierende Internetverbindung unerlässlich.

Amina Mohamed, Kurssprecherin des Kurses BWL-Dienstleistungsmanagement, wies auf einen weiteren Effekt der Pandemie hin: „Obwohl wir räumlich weiter voneinander entfernt waren, sind wir als Kurs enger zusammengewachsen.“ Ob die Gruppen spontane Lerntreffen in der Bibliothek organisiert haben, eigene Tutorien veranstaltet oder sich in Whatsapp-Gruppen ausgetauscht haben – der Austausch untereinander hat auch auf Distanz gut funktioniert. Solidarität zeigen ist vor allem bei introvertierten Studierenden wichtig, die sich überwinden müssen, nach Hilfe zu fragen.

Vom Frontalunterricht zu Hybridmodellen – neue Ideen für die Lehre
Fast alle Studierenden sind sich einig: Der reine Frontalunterricht hat ausgedient. Für die Zukunft wünschen sich die Studierenden verstärkt einen Austausch in Arbeitsgruppen und mehr interaktive Formate. Gerade Gruppenarbeiten kann man mit Hilfe digitaler Tools viel schneller in Break-Outsessions organisieren. Im Präsenzform müsste man viel mehr Zeit mit der Raumsuche verbringen.

Das ist einer der Gründe, warum keiner der Studierenden komplett in die Präsenzlehre zurückkehren will. Hybride Formate sind die Lehre der Zukunft. Da sich die Arbeitswelt immer stärker digitalisiert, müssen junge Menschen schon im Studium lernen, mit den digitalen Tools umzugehen. Amina Mohamed geht in ihrer Ideenfindung noch einen Schritt weiter: „„Gerade für Erstsemester und für viele weitere Studierende wäre es sinnvoll, eine Art Leitfaden zur digitalen Lehre zu erstellen. Eine Anleitung zum Umgang mit der Hard- und Software, aber auch eine Einführung zum Umgang miteinander, zu den social - und digital skills. Beide Kompetenzen werden in Zukunft noch stärker von den Unternehmen nachgefragt.“

Auch Johannes Ziern sieht noch viel ungenutztes Potenzial in der virtuellen Lehrform: „Ich könnte mir für die DHBW Heilbronn auch Online-Vorlesungen von internationalen Dozenten oder renommierten Gastrednern vorstellen, zum Beispiel vom CEO von adidas. Ob der Dozent in Berlin, Madrid oder Heilbronn sitzt, das ist bei dem Format egal.“ Amina Mohamed ergänzt, dass auf diesem Weg auch die Dualen Partner noch stärker in die Lehre eingebunden werden können.

Ohne Flurfunk, Kneipenabende und Campusleben
Was fehlte, war ganz klar der Austausch untereinander, informelle Kneipenabende und einfach das wirkliche Studentenleben. Vor allem Erstsemester, deren erste Begegnung mit der Hochschule online stattfand, wussten oft nicht, welche Ansprechpartner es gibt, wie das Konzept Hochschule generell funktioniert und welche Bücher man unbedingt lesen sollte. Daher sollte die erste Theoriephase, wenn möglich, in Präsenz stattfinden. Auch praktische Vorlesungen und Laborübungen am Eye-Tracker sind auf die Distanz schwer zu vermitteln.

Das duale Studium ist mehr als nur Wissensvermittlung. Im Studium werden Persönlichkeiten geformt, Kontakte geknüpft und soziale Kompetenzen vermittelt. Doch so bleiben wie vorher wird es nicht. Die Zeit nach Corona ist eine Chance für neue Lehrformen, ein neues Miteinander und eine neue Hochschule.

Hintergrundinformationen

Ergebnisse der Befragung zur Online-Lehre (Stand Mai 2021)

1. Bei den Formaten erhielten die beste Bewertung Veranstaltungen, die zu gleichen Teilen interaktiv und frontal gestaltet waren. Überwiegend wurden alle Formate (Selbststudium, interaktive Vorlesung mit Präsentationen, Feedbackformate, Videos zum Selbstlernen) positiv mit 6 von 7 Punkten bewertet. Bei einer Skala von 1 bis 7 (7-sehr zufrieden) gaben 75 Prozent der Befragten mindestens 5 Punkte. (häufigste Punktvergabe bei 6 Punkten mit 35,1 Prozent). 

2. Trotz erschwerter Bedingungen loben die Studierenden die gute Organisation (erste Stelle). Sie honorieren, dass es überhaupt ermöglicht wurde, das Studium nahtlos weiter zu verfolgen (zweite Stelle) und sehen auch den Vorteil in der Online-Lehre (Ortsunabhängigkeit, teilweise zeitunabhängig) an dritter Stelle. Auch hier werden die hohe Bereitschaft und die gute Vorbereitung der Dozierenden erwähnt.

3. 76,5 Prozent der Studierenden wünschen sich, dass die Online-Lehre durch Zoom oder ähnliche Plattformen auch in Zukunft beibehalten wird. Die zweithäufigste Nennung mit 51 Prozent fiel auf das vertiefte Selbststudium mit Unterstützung von Moodle.