Das Leben hinter den Formeln – Data Science und Statistik praxisorientiert lehren
Seit dem 1. März verstärkt Dr. Markus Niedergesäß als Professor die DHBW Heilbronn. Der studierte Volkswirt hat sich über die Jahre zu einem Experten für Data Science, statistische Methoden und Datenvisualisierung entwickelt. Diese Expertise bringt er jetzt in seine Vorlesungen ein. Im Interview spricht er über seine Motivation, seine Erfahrungen aus der Praxis und seine Ziele für die Lehre.
Warum haben Sie sich für eine Professur an der DHBW Heilbronn entschieden?
Schon in Tübingen hat mir die Lehre großen Spaß gemacht. Ich konnte dort sogar eine eigene Vorlesung „Statistik für Soziologen“ aufbauen und dabei lernen, was für eine gute Lehre notwendig ist. Nach meiner Zeit an der Universität habe ich verschiedene berufliche Stationen durchlaufen – erst im Risikomanagement bei Wüstenrot, dann in der quantitativen Strategieberatung und schließlich beim Statistischen Amt der Stadt Stuttgart, wo ich ein neues Team aufgebaut habe, das sich zum städtischen Daten- und Statistikdienstleister entwickelt hat. Jetzt freue ich mich darauf, mein Wissen an Studierende weiterzugeben.
Die Stadt als Datendienstleister – wie kann man das verstehen?
Wir haben Daten gesammelt, aufbereitet und visualisiert, um Entscheidungen zu unterstützen. Ein Beispiel: Während der Corona-Pandemie haben wir analysiert, wie sich Infektionen in den Stuttgarter Stadtteilen verteilten und wo Menschen besonders impfbereit waren. So konnten mobile Impfzentren gezielt platziert werden. Wir haben aber auch interne Prozesse der Stadtverwaltung mit Daten verbessert – etwa durch die Entwicklung von Dashboards zu Budgets oder Stellenbesetzungszeiten. Im Grunde sind das klassische Business-Intelligence-Analysen, wie sie auch Unternehmen einsetzen.
Was möchten Sie den Studierenden mitgeben?
Ich möchte, dass meine Studierenden nicht nur Formeln auswendig lernen, sondern verstehen, was hinter den Methoden steckt. Ein guter Data Scientist stellt die richtigen Fragen: Wende ich die passende Methode an? Habe ich die Daten korrekt interpretiert? Sind meine Ergebnisse valide? Statistik und Data Science sollen nicht trocken bleiben – ich will die Neugier und den Forschergeist wecken. Dank meiner beruflichen Erfahrung kann ich das praxisnah vermitteln, was perfekt zur dualen Lehre passt.
Wie sehen Sie die Zukunft für Data Scientists?
Die Menge an Daten wächst rasant, und die Fähigkeit, sie sinnvoll zu analysieren, wird immer wichtiger. Wer Statistik versteht, programmieren kann und KI einsetzt, hat beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Absolvent*innen mit diesen Fähigkeiten sind in allen Branchen gefragt.
Sie und Ihre Frau haben drei kleine Kinder und arbeiten beide in Vollzeitjobs. Wie meistern Sie diese Herausforderung?
Es funktioniert – manchmal mehr, aber meistens weniger chaotisch. Wir haben das große Glück, auf eine zuverlässige Kinderbetreuung durch Kita und Großeltern zurückgreifen zu können. Wir haben früh gelernt, die Arbeit des anderen zu schätzen – sei es beim Abholen der Kinder oder im Haushalt. Uns ist es wichtig, trotz beruflicher Verpflichtungen für unsere Kinder da zu sein.
Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Deutschland aus Sicht eines Volkswirts?
Ich bin Optimist und glaube, dass wir die Herausforderungen bewältigen. Deutschland steht im internationalen Vergleich gut da. Ich denke aber, der Staat sollte sich stärker auf seine Kernaufgaben konzentrieren – etwa Infrastruktur und Sicherheit – und in manchen Bereichen wieder mehr Verantwortung an Unternehmen und Einzelne zurückgeben.