Der Sprung ins gläserne Meer: Neue Ausstellung "Kristalline Phänomene" von Joy-Angelo Grillmayr

Was auf den ersten Blick aussieht wie ein Meer inmitten von Buchten, ein Gebirge oder der Schattenriss eines Profils, ist ein mikroskopisch genauer Blick hinter die mitunter steingraue Fassade von Geröll, von Halbedelsteinen und Kristallen. Mit der neuen Ausstellung „Kristalline Phänomene – Eine künstlerische Annäherung“ seziert der Künstler Joy-Angelo Grillmayr Farben- und Formenvielfalt von Steinen, nimmt sie auseinander und setzt sie in graphischen Strukturen wieder zusammen. Am Donnerstag, den 20. April 2023, eröffnete Rektorin Prof. Dr. Nicole Graf die mittlerweile 24. Ausstellung der DHBW Heilbronn mit einer Vernissage.

„Seine Passion für Mineralien entdeckte Joy-Angelo Grillmayr 2010, genau im Gründungsjahr der DHBW Heilbronn. Jetzt gehen wir den nächsten Teil der künstlerischen Reise gemeinsam“, stellte Prof. Dr. Nicole Graf den Künstler vor. „Wir freuen uns, dass Studierende wieder vor Bildern stehen, Kunst erleben und diskutieren werden“. 
Der Ursprung von Grillmayrs Passion liegt neben den anderen Opalen und Halbedelsteinen auf schwarzem Samt: ein Achat, eigentlich als Bücherstütze gedacht, führte zu einer mittlerweile 13 jahrelangen Liebe zur Natur der Kristalle, ihrem Formen- und Farbenspiel. 
Grillmayr nahm schon mit 15 Jahren erste Auftragsarbeiten an, damals tauchte er in die freie Kunst- und Sprayerszene ab und entwarf erste Bilder und Fassaden. Kunst kommt auch von Können, daher absolvierte er in den folgenden Jahren erst eine Lehre und machte dann seinen Malermeister und Gestalter. Murale zu entwerfen ist auch jetzt noch eine Herausforderung, der er sich neben seiner kristallinen Kunst widmet. 

Entstehungsprozesse in der Werkstatt
Fabrizio Venturini, Laudator, freischaffender Schriftsteller und Dozent, verglich Grillmayr mit einem Taucher auf dem Weg ins „gläserne Meer“ der Kristalle: Vor seinem Sprung ins Wasser zieht er seinen Ganzkörperoverall an, setzt seine Atemschutzmaske auf – schlüpft also in Neoprenanzug und Taucherbrille – und taucht ab in den kreativen Flow. 
Grillmayrs Liebe zum Detail zeigt sich auch in der Arbeitszeit: 30-40 Stunden stecken in einem Werk. Wenn man genau hinschaut – und vielleicht ganz kurz mit dem Finger über die hochwertigen und sehr beständigen Lacke fährt – erkennt man die vielfältigen Schichten, die grundiert, aufgetragen, wieder mit der Rakel entfernt, halbfest abgeschliffen, mit Schablonenmustern gesprayt und mit glitzerndem Lack überzogen werden. Harte Untergründe wie Alu-Dibond-Platten sind wichtig, damit die hochwertigen, aber auch aggressiven Kunstlacke nicht mit dem Bildträger agieren und Grillmayr flüssige Farben auftragen kann. Oft arbeitet er auch mit Effektlacken, die im Dunkeln leuchten oder unter Licht spielerisch glitzern.

Vom Detail zum Abstrakten
Wer die Ausstellung chronologisch durchlaufen möchte, beginnt im dritten Stock: Die Darstellung der Steine hält sich hier noch eng an die mikroskopischen Details. Je weiter man sich nach unten begibt, desto mehr entfernt man sich gemeinsam mit dem Künstler von der naturalistischen Bildsprache und sieht abstraktere Werke, die ein Detail herausgreifen und es in verschiedenen Varianten interpretieren: das Glitzern der Oberfläche, bonbonfarbene Einschlüsse in Opalen oder farbige Risse, die aus dem Stein hervortreten. 
Die Serie „Past Darkness“ zum Beispiel ist sowohl eine Referenz an die triangulären Molekülstrukturen des Quarzkristalls, aber man kann darin auch die Tiefen der Vergangenheit sehen, die in unserer Erinnerung oft im Dunkeln bleibt und sich nur bruchstückhaft zusammensetzt. Die Serie „Past Sweetness“ geht an die Interpretation etwas spielerischer heran: sanfte Bonbonfarben zerlaufen innerhalb strenger weißer Lacklinien, das Ganze überzogen von goldfarbenen Sprenkeln. Man fühlt sich zurückversetzt ins Amerika der 50er Jahre, in kunterbunte Candystores, erinnert sich an Lipgloss und weiße Lackstiefel, bunte Tellerröcke und Lollipops. Wenn man genau hinschaut, erkennt man in einem Bild die amerikanische Flagge: blaue Sterne und rote Streifen wurden dekonstruiert und wieder zusammengesetzt. Ursprung dieser Serie bildeten pastellfarbene Einschlüsse in einem äthiopischen Opal. 


Die Ausstellung ist in den nächsten sechs Monaten an der DHBW Heilbronn zu sehen, immer zu den Öffnungszeiten der Gebäude. Führungen mit dem Künstler sind nach Anmeldung möglich. 

„Kristalline Phänomene – Eine künstlerische Annäherung“ 
Bis Ende September 2023
DHBW Heilbronn Gebäude B 
8-18 Uhr unter der Woche, außerhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung 
Mehr Informationen zum Künstler unter www.jag-artndesign.com