Diversity Management - das Potenzial-Prinzip

In der Diskussion über Diversity hören wir oft „Bereicherung“, „Potenziale nutzen“, „Profit steigen“... Aber wie passiert das? Automatisch bestimmt nicht. Welche Schritte muss ein Unternehmen machen, welche Kosten tragen, damit aus Monokultur eine Willkommenskultur wird, Ängste und Vorbehalte sich in Offenheit umwandeln und dadurch auch die Leistung der Teams steigt? Welche Herausforderungen müssen überwunden werden, wie kann man kommenden Problemen vorbeugen und vor allem – wo sind die Grenzen? Darüber spricht Eliza Skowron in ihrem Vortrag am 29.3.2019 um 13:30 Uhr an der DHBW Heilbronn (Raum 0.22/0.23, C-Gebäude). Die Veranstaltung ist kostenfrei, um Anmeldung unter Yvonne.Zajontz@heilbronn.dhbw.de wird gebeten. Einen kleinen Einblick in ihre Themen gibt Skowron im folgenden Interview.

Liebe Frau Skowron, viele Unternehmen setzen auf Mitarbeiter, die unterschiedliche kulturelle Erfahrungen einbringen, verschiedene Weltanschauungen haben oder sich in Alter oder Geschlecht unterscheiden. Doch ist Diversität per se tatsächlich ein Erfolgsrezept?

Nein. Personen mit unterschiedlichen Hintergründen in die Firma oder in die Teams einzuladen, ohne dabei nichts anderes zu berücksichtigen und zu ändern, wäre eine oberflächliche und nicht nachhaltige Änderung. Es wäre sogar ein Konfliktpotenzial, das dazu führen würde, dass es in den Teams krachen und zu hoher Fluktuation der Arbeitskräfte kommen würde. Jeder bringt doch unterschiedliche Bedürfnisse und eine andere Arbeitskultur mit, das ist eben Sinn der Sache bei Diversifizierung. Nun muss man schauen, wie man das managt.

In Ihrem Workshop sprechen Sie über das Potenzial von Diversität: Was genau verstehen Sie darunter?

Es geht darum, die Diversität nicht als Gefahr zu sehen, sondern als Bereicherung und die Änderung als eine Chance, neue Felder zu entdecken. Für diejenigen von uns, die in einem eher homogenen Umfeld aufgewachsen sind, kommt diese Änderung nicht von alleine. Aber das kann man lernen. Für den Austausch braucht man die richtige Haltung: voneinander miteinander lernen – das geht in beide Richtungen. Ältere Kolleginnen können von Jüngeren lernen und umgekehrt. Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind von Menschen, die im Ausland aufgewachsen sind und umgekehrt, usw. Von den Minderheiten im Unternehmen zu erwarten, dass sie sich mit ihrer Denk- und Arbeitsweise möglichst schnell anpassen sollen, ist bereits eine Verfehlung im Sinne der Diversität am Arbeitsplatz. Wie Albert Einstein mal sagte: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Welche Tipps für eine heterogenitätsgerechte Lehre haben Sie? Und welche Rolle spielen dabei die digitalen Medien?

Es gibt einen Unterschied zwischen Diversität und Heterogenität der Studierenden und es ist wichtig für die Lehre dies zu verstehen. Diversität hat vor allem eine gesellschaftliche Dimension und hängt mit Macht- und Diskriminierungsdynamiken zusammen. Diversität hat im Hochschulkontext eine strategische Dimension und bezieht sich in erster Linie auf Strukturen. Heterogenität bezieht auf die Lernenden in der Hochschulkultur und ihre Möglichkeiten im Hochschulsystem. Eine heterogenitätsgerechte Lehre berücksichtigt, dass das Hochschulangebot nicht nur für die eine privilegierte Gruppe ist, sondern sich an alle Studierenden richtet und alle willkommen sind. Durch unterschiedliche Lehrmethoden, einen breiten Einsatz der Medien (auch digital, wie z.B. MOOCs) und Transparenz an Erwartungen, impliziter Regelungen und Prüfungsanforderungen adressieren wir die Heterogenität der Studierenden. Die Digitalisierung der Lehre hat das Potenzial zum Chancenausgleich unter den Studierenden beizutragen. Aber wie auch oben gesagt, es kommt darauf an, wie es umgesetzt wird.

Welche Strukturen müssen von bildungsökonomischer und politischer Seite etabliert werden, um von der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Studierenden in der Lehre noch mehr profitieren zu können?

Dazu gibt es keine Pauschallösungen. Man sollte sich die Hochschule auf unterschiedlichen Ebenen anschauen und ihre Organisationskultur analysieren, um ihre blinden Flecken zu entdecken. Welche Strukturen, Traditionen unterstützen nur die eine Zielgruppe und was bedeutet das für die anderen, die nicht in dieses Raster passen? Welcher Gruppe der (jungen) Leute wollen wir uns öffnen? Welche Gruppen werden durch die Form, den Ort, die Zeit oder die Sprache des Angebots ausgeschlossen? Gibt es Studierendengruppen, die mehr willkommen sind als andere? Wenn ja, dann fallen wir in das Paradox der Leistungsgesellschaft („merit paradox“): Einerseits sagen wir „nur die Leistung sei wichtig“, andererseits schließen wir schon vorab bestimmte Menschengruppen aus und nehmen ihnen die Chance weg, ihre Leistung oder Begabung zu beweisen. Um uns auf die Leistung zu konzentrieren, brauchen wir Chancenausgeich und das heißt auch bedürfnisorientiertes Handeln.

Zur Person: Eliza Skowron ist Mitgründerin von „Working Between Cultures“, Trainerin, Autorin und Beraterin. Geboren und aufgewachsen in Polen, studierte sie Germanistik und Deutsch als Fremdsprache (M.A. in Philologie) und Kulturwissenschaften und Migrationsbewegungen (M.A. in Politikwissenschaften) an der Jagiellonen Universität Krakau. Im Anschluss ließ sie sich als Trainerin in der Erwachsenenbildung bei der Robert Bosch Stiftung ausbilden. Seit 2002 ist sie als Trainerin/Moderatorin für Hochschulen, Behörden und Unternehmen tätig. An Hochschulen arbeitet sie mit Studierenden und Lehrenden zu den Themen „Interkulturelle Kompetenz“, „Umgang mit Diversität/Heterogenität“, „Konstruktive Kommunikation“, „Diversity Management“. Seit 2017 ist Skowron auch im Team des Diversity Referats von Kreisjugendring München-Land.