Ehemaliger SWR-Studioleiter über Medienethik zwischen Moral und Kommerz

Fake news, eine postfaktische Ära im Aufwind und „Lügenpresse“ – steckt der Journalismus in einer Krise? Gerhard Meier-Röhn, ehemaliger Studioleiter des SWR und Sprecher des Deutschen Fußball-Bundes, ist neuer Dozent in der Vorlesung „Medienethik“ im Studienangebot Medien und Kommunikation. In unserem Kurzinterview spricht er über die aktuellen Herausforderungen, denen sich Journalisten und auch Medienverantwortliche stellen müssen.

Das Dilemma, in dem jeder Journalist steht, ist einerseits wertfrei zu berichten, aber andererseits den ökonomischen Zwängen eines Verlags unterworfen zu sein. Wie geht man mit diesem Widerspruch um?

Ökonomische Interessen und Wertefreiheit im Journalismus müssen sich nicht unbedingt widersprechen. Im Konflikt wird man sich immer für die Blattlinie, also für die Interessen des Verlegers entscheiden. Dies zeigt, dass die "innere Pressefreiheit" in der täglichen Praxis eingeschränkt sein kann. Im Übrigen würde ich mit überhöhten Begriffen wie Wertefreiheit vorsichtig umgehen. Jeder Redakteur geht zunächst subjektiv an ein Thema ran, also mit seiner persönlichen Sicht der Dinge, die sich aus seiner sozialen Prägung ergibt. Der Begriff "objektive Berichterstattung" ist aus meiner Sicht ein Label für einen Berufsstand, der Glaubwürdigkeit vermitteln soll. Die Kriterien der täglichen Berichterstattung müssen umfassend, fair und wahrheitssuchend sein.

Der Spiegel-Journalist Hasnain Kazim sagte kürzlich in einem Interview, dass Journalisten der Gefahr unterliegen, die Meinung der Mehrheit widerzuspiegeln. Er fordert einen kritischeren Umgang mit den aktuellen Themen, sogar Zivilcourage und weniger Nüchternheit. Teilen Sie diese Auffassung von Journalismus?

Die Auffassung von Hasnain Kazim teile ich. Auch ich kritisiere die "Mainstream- Berichterstattung. In den Leitmedien werden die politischen Themen oft aus einer gleichen, gemeinsamen Sicht betrachtet. Das führt leider zu einem Medienkonformismus, der zu Lasten der publizistischen Vielfalt geht. Hier sehe ich eine echte Gefahr für unsere Demokratie, die Meinungsvielfalt braucht, um eine politische Diskussion unserer Gesellschaft am Leben zu erhalten. Alternative Berichterstattung ist aber auch - wie oben schon erwähnt - immer eine Frage der "Inneren Pressefreiheit", also ob eine Redaktion dem Redakteur eine eigene individuelle Sicht auf das Thema auch erlaubt. Der Mut, den sich der Spiegelkollege wünscht, fordere ich von den Redaktionsleitungen, die eine alternative Betrachtung redaktionell stützen müssen.

Sie haben den Journalismus von beiden Seiten kennengelernt: als Studioleiter des SWR und als Medienchef des DFB. Welche Erfahrungen vermitteln Sie den Studierenden?

Medienarbeit für einen Verband wie dem DFB unterscheidet sich grundsätzlich vom Journalismus. Als Sprecher für den weltgrößten Sportverband und seiner Fußballnationalmannschaft hat man Verantwortung für ein positives Bild in der Öffentlichkeit. Man ist in erster Linie also Lieferant von Information, aber auch Verhinderer von Information, wenn negative Ereignisse das Image des Verbandes oder seiner Nationalspieler beschädigen könnten. Einerseits muss ein Pressesprecher die Medien für seine Interessen nutzen - andererseits muss man Öffentlichkeit auch klug begrenzen.

Themen, die der Verband nicht zum Inhalt der Pressekonferenzen macht, müssen dann eben von kritischen, investigativen Sportjournalisten ausgegraben und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dem muss sich dann ein Mediendirektor stellen.

Meine journalistische Zeit bei SDR und SWR war sicherlich für mich die kreativere Zeit meines Berufslebens. Verantwortung für Politik und Sport zu tragen war für mich immer eine besondere Herausforderung - zumal heute aus meiner Sicht- Politik und Sport zu einer Symbiose verschmelzen. Ich hatte das Glück, als Fernsehjournalist Themen zu setzen, Programme zu entwickeln und sie einer breiten Öffentlichkeit als Moderator zu präsentieren.  

Ich rate heute allen Studierenden, Bildung ganz groß zu schreiben; das Studium nicht als einzelne Einheiten, sondern umfassend  zu begreifen. Die Studierenden sollen die vielfältigen Bildungsangebote der DHBW Heilbronn und auch andere Quellen nutzen, um am Ende des Studiums für die Herausforderungen des Berufslebens fit zu sein.