Ex-Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin beim Students' Executive Talk am Bildungscampus
Beim Students‘ Executive Talks an der DHBW Heilbronn sprach die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin zu den Studierenden der DHBW Heilbronn und interessierten Mitgliedern der Öffentlichkeit über das Thema Menschenrechte, in einer Zeit, in der ein Krieg Europa erschüttert und den Umgang mit Menschenrechten auf eine harte Probe stellt. Der 13. Students‘ Executive Talk in der Aula am Bildungscampus war eine gemeinsame Veranstaltung der VHS Heilbronn unter Leitung von Peter Hawighorst und der DHBW Heilbronn.
Prof.in Dr.in Herta Däubler-Gmelin liebt den aktiven Dialog. So steigt sie gleich mit der Frage ein, wie es um die Menschenrechte in Europa bestellt ist. Zögerlich, dann immer häufiger kommen die Antworten aus den Reihen der über 200 Studierenden und anwesenden <link www.vhs-heilbronn.dewww.vhs-heilbronn.de external-link-new-window "Opens internal link in current window">VHS</link>-Gäste: Es fallen Stichworte wie Ukraine-Krieg, Redefreiheit, Ungarn, Polen, Pressefreiheit, Demokratie. Gerade das Thema Ukraine bewegt die Gemüter. Rektorin Prof.in Dr.in Nicole Graf betont in ihrer Begrüßung, wie sehr sie der Krieg in Europa erschüttert und die schwebende Gefahr des kalten Krieges, mit der sie als Bundeswehrkind in den achtziger Jahren lebte, plötzlich real wurde.
Migration, Alltagsrassismus und Menschenrechte in Deutschland
Doch wie weit ist Deutschland beim Thema Menschenrechte? Fest steht, dass eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern es schwer haben wird, in manchen Städten eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu finden. Für eine Studentin ist es bedenklich, dass Alltagsrassismus und eine Stärkung der rechtsradikalen Parteien zum neuen Bild in der Öffentlichkeit gehören. Ein anderer Student hält dagegen, dass es unter den Jüngeren ganz normal sei, Freunde mit Migrationshintergrund zu haben. Däubler-Gmelin freut das: „Irgendwo muss ihre Generation ja etwas besser machen.“ Doch vor der eigenen Tür zu kehren, lohnt sich: Nicht immer ist die Bereitschaft hoch, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen. Das Mittelmeer ist immer noch der größte Friedhof weltweit und die Verpflichtung von Frontex, Flüchtlinge zu retten, greift hier nicht.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Putin zur Rechenschaft gezogen wird?
In ihrer Amtszeit als Bundesjustizministerin war Däubler-Gmelin maßgeblich an der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag beteiligt. Der Strafgerichtshof hat eine lange Vorgeschichte: Bereits vor 150 Jahren wurde nach dem Krimkrieg das Rot-Kreuz-Abkommen verhandelt, allerdings erst nach Ende des 2. Weltkriegs wurden Kriegsverbrecher auch zur Verantwortung gezogen. Um ein Gerichtsverfahren in Den Haag einzuleiten, ist eine lückenlose Beweislage nötig: Auch in diesen Tagen werden sich Teams aus internationalen Forensikern und Gerichtsmedizinern auf den Weg in die Ukraine machen, um Massengräber zu öffnen und zu klären, wie die Kriegsopfer umkamen und ob sie gefoltert wurden. Doch in Den Haag können im Jahr nur wenige Fälle vor Gericht gestellt werden, daher greift die Gerichtsbarkeit auch in Deutschland. So wurde in diesem Jahr erstmals ein ehemaliger Assad-Offizier wegen Folter vom Oberlandesgericht Koblenz zu lebenslanger Haft verurteilt.
Neue Krisen - neue Rechte?
Mit neuen Problemen kommen auch neue Fragen auf: Ist Klimarecht ein Menschenrecht? „Im Moment nicht“, gibt Däubler-Gmelin zu, „aber vielleicht in der nächsten Generation.“ Denn den Klimawandel aufzuhalten, ist für die Jüngeren schlichtweg eine Frage des Überlebens und damit auch ein Menschenrecht. Sie verweist auf das neue Urteil des BGH in Karlsruhe, der die Regierung dazu gezwungen hat, ihre Klimaziele nachzuschärfen. Auch beim Thema Pandemie wurde zuweilen der Begriff „Menschenrecht“ bemüht. Däubler-Gmelin differenziert: Eine Menschenrechtsverletzung würde erst auftreten, wenn man z.B. vom Grundrecht auf Bildung abgeschnitten wäre. Doch so schwierig sich die Situation auch gestaltete, das Grundrecht auf Bildung blieb erhalten. Über Einzelfälle könne man diskutieren, z.B., wenn durch Vereinsamung Depressionen eine Verletzung der Gesundheit auftrete.
Europa als Wirtschaftskraft stärkt auch Menschenrechte
Eine schlagkräftige Wirtschaft und die Stärkung der Menschenrechte haben auf den ersten Blick nur wenig miteinander zu tun. Doch die Frage, die sich vor allem in den letzten Wochen stellt, ist folgende: Wenn wirtschaftliche Interessen mit Menschenrechten kollidieren, sind dann Europa und Deutschland wirtschaftlich stark genug, um Sanktionen auszuhalten und den politischen Kurs auch weltweit mitzubestimmen? Däubler-Gmelin stellte fest, dass wir in ein Zeitalter eingetreten sind, in dem die Demokratien gegenüber autoritären Staaten immer mehr an Boden verlieren. Daher ist eine starke regionale und bundesweite Wirtschaft, wie sie die DHBW Heilbronn mit Bildungsangeboten unterstützt, auch ein Faktor, der den Frieden in Europa garantiert.
<link de.wikipedia.org/wiki/Herta_D%25C3%25A4ubler-Gmelin>Prof.in Dr. Herta Däubler-Gmelin</link>
Herta Däubler-Gmelin war 37 Jahre Mitglied des Deutschen Bundestags und erste weibliche stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD. Kanzler Gerhard Schröder holte sie von 1998-2002 als Bundesjustizminsterin in sein Kabinett. In ihrer Amtszeit hat sie eine Zahl wichtiger Reformen durchgesetzt, so zum Beispiel den Beitritt Deutschlands zum Internationalen Strafgerichtshof und die Einführung des Völkerrechts, eine Reform des Miet- und Schuldnerrechts und die Einführung der sog. Lebenspartnerschaft. Auch nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt ist die Tübingerin weiterhin in vielen Funktionen aktiv: Sie lehrt an der FU Berlin und an Hochschulen in Shanghai und Ludwigsburg. Gleichzeitig ist sie Schirmherrin des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes, arbeitet als Anwältin auf dem Gebiet Schlichtungs-, Schieds- und Einigungsstellen. Mit dieser Erfahrung konnte sie bereits mehrfach Tarifstreitigkeiten schlichten und bringt aktuell ihre Expertise im Streit um „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ ein.
Students‘ Executive Talk
Der Students‘ Executive Talk ist eine Veranstaltungsreihe für die Studierenden der DHBW Heilbronn, die jungen Menschen die Chance gibt, Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft hautnah zu erleben und von deren Erfahrungen zu profitieren. In der Reihe herausragender Persönlichkeiten befinden sich unter anderem Reinhold Würth, Uschi Glas, Norbert Haug, Joachim Rukwied und Peter Bofinger.