Exportschlager Duales Studium: Mehr Praxis für slowakische Ingenieure

Die slowakische Wirtschaft nimmt gerade an Fahrt auf – und braucht dringend hochqualifizierte Fachkräfte. Die Einführung eines dualen Studienmodells nach Vorbild der DHBW soll Abhilfe schaffen.

Prof. Dr. Marian Peciar, Prorektor der Technischen Universität Bratislava ist besorgt: Die Wirtschaft in seinem Heimatland boomt, doch die Hochschulabsolventen tun sich mit dem Einstieg ins Berufsleben schwer: „Wir haben zu wenig Fachpersonal für Technikunternehmen“. Insbesondere VW, der größte und wichtigste Arbeitgeber des Landes sowie die Automobilzulieferer klagen über die mangelnde Praxisnähe des slowakischen Studiums. Dabei erlebt die Fahrzeugindustrie gerade einen regelrechten Aufschwung: In 2013 wurden 990.000 Pkw in der Slowakei produziert, 7% mehr als noch im Vorjahr. Die Neuaufträge der Kfz-Branche sprechen für eine Fortsetzung des Rekordjahrs. In den ersten drei Monaten 2014 ging das Volumen der Neubestellungen um weitere 8% nach oben. Porsche will ab 2017 sein Geländewagenmodell Cayenne in Bratislava bauen. Die französische PSA beabsichtigt, den neuen Kompaktwagen C3 in Trnava zu fertigen. Kia plant eine weitere Produktionshalle in Zilina.

„Unser wichtigstes Ziel ist es, unsere Studenten gut für den Arbeitsmarkt vorzubereiten, so dass diese auch gleich im Unternehmen einsatzfähig sind“, so Prof. Dr. Peciar, dem das vorgeschriebene 6-wöchige Praktikum während des Studiums bei weitem nicht genügt. Jetzt sucht er im Ausland nach Bildungsinnovationen, die Theorie und Praxis miteinander vereinbaren.

Seine wichtigste Station: Die Duale Hochschule Baden-Württemberg. Damit ist er nicht der erste: „Es gibt ein sehr großes internationales Interesse am dualen Studium der DHBW, weil unser Bildungsmodell zur nachweislich höchsten Employability der Studierenden führt“, freut sich Prof. Dr. Nicole Graf, Rektorin der DHBW Heilbronn. In Baden-Württemberg wurde das duale Studienmodell vor 40 Jahren erfunden. Inzwischen gilt es als Erfolgsmodell schlechthin. Ein Drittel der deutschen Studienanfänger würde laut einer Studie des Wissenschaftsrats gerne im Doppelpack studieren. Aktuell sind es gerade einmal 3,4 Prozent, denn die Plätze in den Unternehmen sind begehrt und begrenzt.

Doch die Anfänge der Dualen Hochschule waren steinig, erinnert sich Prof. Dr. Günter Käßer-Pawelka, Dekan des Studiengangs Dienstleistungsmanagement an der DHBW Heilbronn: „Der Wunsch nach einem stark anwendungsbezogenen Studium kam damals – so wie heute in der Slowakei – aus der Wirtschaft.“ Insbesondere dem starken Druck aus der Wirtschaft sei es zu verdanken gewesen, dass das Duale Studium neben dem Uni- und Fachhochschulstudium etabliert wurde. Unternehmen sollten die Möglichkeit bekommen, Nachwuchskräfte auf Hochschulniveau und maßgeschneidert auf die eigenen Anforderungen qualifizieren zu können. Dennoch: Es dauerte 35 Jahre, bis das Land dem dualen Studienmodell die hochschulrechtliche Anerkennung zukommen ließ.

„Das duale System muss in erster Linie von der Wirtschaft getragen werden“, rät Prof. Dr. Nicole Graf, Rektorin der DHBW Heilbronn, ihrem slowakischen Kollegen. Wichtig seien zuverlässige Duale Partner, mit welchen ein Pilotprojekt gestartet werden könne. Die ersten Zusagen hat Prof. Dr. Peciar bereits: An 50 Studienplätzen ist VW interessiert, die Telekom möchte 5-10 Studierende schicken. Genügend für zwei Anfängerkurse. Dennoch, das Studienmodell der DHBW lässt sich nicht unmittelbar ins slowakische Bildungssystem übertragen. Prof. Dr. Peciars Vision: Montag bis Mittwoch sollen die Studierenden an der Uni die Theorie lernen, Donnerstag bis Samstag im Unternehmen in die Praxis einsteigen. Das Pilotprojekt startet voraussichtlich im Herbst 2015, bis dahin ist jedoch noch viel zu tun: Verträge müssen formuliert, Studieninteressenten gefunden, das Curriculum definiert und die ausbildenden Unternehmen gecoacht werden.

Die Slowakin Gabriela Kolesiková wollte auf die Einführung des dualen Studiums in ihrem Heimatland nicht warten. Die 28-Jährige studiert seit Oktober 2014 Dienstleistungsmanagement mit dem Schwerpunkt Personal- und Bildungsmanagement an der DHBW Heilbronn. „An slowakischen Hochschulen haben wir eine sehr gute akademische Lehre, was uns dort jedoch fehlt, ist der Praxisbezug: Wir benötigen mehr praxiserfahrende Dozenten, die tatsächlich im Berufsalltag das bereits erlebt und erprobt haben, was sie lehren.“ Ihr geht es nicht nur um die Studieninhalte, sondern auch darum, die Organisation des Dualen Studiums kennen zu lernen. Sie will später für ihren Arbeitgeber VW Bratislava daran mitwirken, das duale Ausbildungsmodell in der Slowakei zu etablieren.

Gabriela Kolesiková ist nicht die einzige ausländische Studierende an der DHBW Heilbronn. „Die Zahl ausländischer Studierenden an der DHBW Heilbronn steigt, weil viele unserer Partnerunternehmen Standorte im Ausland haben und für dafür Fach- und Führungskräfte qualifizieren wollen. Insbesondere die osteuropäischen Staaten sind für B2B-Geschäfte und den Konsumgüterhandel sehr interessant, was hervorragend zu unseren Studienangeboten passt“ weiß Prof. Dr. Nicole Graf. Sie freut sich über das große internationale Interesse und möchte das Duale Studium an der DHBW Heilbronn für ausländische Studierende noch attraktiver gestalten. „Wir werden künftig deutlich mehr englischsprachige Angebote aufbauen. Darüber hinaus wollen wir für Studieninteressierte aus dem Ausland ein Anpassungsjahr zur Vorbereitung auf ein Studium an der DHBW anbieten.“ Insbesondere vor dem Hintergrund rückläufiger Abiturientenzahlen und dem steigenden Bedarf an Fach- und Führungskräften sei es wichtig, ausländische Studieninteressierte zu gewinnen.