Forschung für die Autobahnen der Region

Ein Forschungsprojekt an der DHBW Heilbronn und der DHBW Mosbach untersucht die Realisierung des Autobahnausbaus der A6 durch eine Verkehrsinfrastrukturgenossenschaft und leistet damit Pionierarbeit für neue Modelle der Öffentlich-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) beim Straßenbau.

Baustellen, Verkehrsstaus und immer neue Meldungen über sanierungsbedürftige Brücken – der Zustand der Autobahnen in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern scheint mehr als verbesserungswürdig. Mit einem Weg aus diesem Dilemma beschäftigt sich ein Forschungsprojekt der DHBW und entwickelt einen ganz neuen Ansatz zur Finanzierung und Realisierung von Baumaßnahmen in Öffentlich-Privater-Partnerschaft: Eine regional verankerte Verkehrsinfrastrukturgenossenschaft soll als Alternative zum Straßenbau durch weltweit agierende Unternehmen oder einer Realisierung mit öffentlichen Geldern entstehen.

Konkreter Anlass der Untersuchung ist der geplante Ausbau der A6. Diese soll vom Kreuz Weinsberg bis zur Landesgrenze nach Bayern, auf 64 Kilometer Länge, sechsspurig ausgebaut werden. Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan von Minister Dobrindt ist dieser Autobahnabschnitt – nach vielen Diskussionen – in der Kategorie „vordringlicher Bedarf“ eingeordnet. Dort ist auch verankert, dass der Ausbau in einer Öffentlich-Privaten-Partnerschaft, also mit Mitteln privater Investoren, bis 2030 durchgeführt werden soll.

Bei Projekten dieser Art arbeiten – wie der Name besagt – öffentliche und private Partner zusammen. Durch eine Ausschreibung erhält ein Privatunternehmen den Auftrag, die Autobahn für den gesamten Projektlebenszyklus von ca. 30 Jahren zu planen, zu bauen, zu finanzieren sowie langfristig zu betreiben und zu erhalten. Im Gegenzug erhält es ein Nutzungs- bzw. Verfügbarkeitsentgelt. Übernimmt ein privates Unternehmen einen solchen Auftrag, kann es zu Interessenskonflikten kommen: Im Regelfall strebt der öffentliche Partner eine qualitativ hochwertige Umsetzung und eine gute Verfügbarkeit der Autobahn an, demgegenüber stehen bei den beteiligten Unternehmen insbesondere die Gewinnerwartungen und damit möglichst niedrige Kosten im Vordergrund.

Die Gründung einer Verkehrsinfrastrukturgenossenschaft bietet hingegen den Vorteil, dass Bürger, Pendler, Unternehmen und öffentliche Institutionen der Region selbst Mitglied werden können. Damit sind die Nutzer der Autobahn vor Ort auch Teilhaber der Genossenschaft und an einer hochwertigen und zuverlässigen Realisierung des Projektes interessiert. Primäre Zielsetzung der Genossenschaft ist der schnellstmögliche und langlebige Ausbau der Autobahn sowie die Erhaltung im laufenden Betrieb. Die betroffene Region erhält durch eine Verkehrsinfrastrukturgenossenschaft die Möglichkeit, ihre Interessen zu vertreten, die Finanzierung lokal zu verankern und eine Vielzahl von Stakeholdern direkt einzubinden. Wesentlich für den Erfolg dieses Modells dürfte die Zusammenarbeit der Genossenschaft mit Bauunternehmen sein, die Umsetzungserfahrung für solche Großprojekte mitbringen. Die gemeinsame Gesellschaft (Konsortium) bestehend aus Genossenschaft und Bauunternehmen würde dann das Projekt realisieren und betreiben.

Das Forschungsprojekt
Das Projekt der DHBW erforscht den Einsatz einer Verkehrsinfrastrukturgenossenschaft für den geplanten Ausbau der A6 bis zur bayrischen Landesgrenze. Ziel ist die theoretische Fundierung und konkrete Planung der Verkehrsinfrastrukturgenossenschaft, ihrer Mitgliedsstrukturen, ihrer Finanzierung und ihrer Einbeziehung in das Infrastrukturkonsortium. In diesem Zusammenhang wird auch die Mitwirkungsbereitschaft aller Akteure der Region (z. B. Pendler, Unternehmen, Kommunen und Kreise) untersucht.

Melanie Beck analysiert in ihrer kooperativen Promotion an der DHBW Heilbronn und der Universität Bamberg die Ausgestaltungsmöglichkeiten dieser Infrastrukturgenossenschaft. Die 26-jährige Master-Absolventin hat an der DHBW Banking & Finance studiert. Ihre Promotion führt sie dual durch: zu 40% arbeitet Beck in der Gesamtbanksteuerung der Kreissparkasse Heilbronn und zu 50% ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der DHBW Heilbronn in Forschung und Lehre tätig. Die Promotion findet im Rahmen einer Forschungskooperation der DHBW mit Prof. Dr. Sucky von der Universität Bamberg und Prof. Dr. Biethahn vom Institut für Automobil Forschung (IAF), Dortmund, statt. Die beiden Professoren betreuen Frau Beck im Rahmen der Promotion an der Universität Bamberg. Innerhalb der DHBW Heilbronn wird Frau Beck durch Prof. Dr. Zajontz und Prof. Dr. Weidmann unterstützt. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre.

Am 26. und 27. September 2016 wurde das Forschungsprojekt im Rahmen der 6. Tagung „Mobility in a Globalised World“ (http://www.migw.info/2016/) in Wien vorgestellt und mit Fachexperten diskutiert.