FUTERA Symposium: Service Next Level – Digitalisierung im Dienstleistungssektor
Über 75 Prozent der Unternehmen sehen die Digitalisierung als Chance, doch laut den Zahlen der Europäischen Kommission hat Deutschland erst einen digitalen Reifegrad von 53,7 Prozent erreicht. Das FUTERA Symposium des Studiengangs BWL-Dienstleistungsmanagement in der letzten Woche in der Aula am Bildungscampus zeigte Wege, wie Unternehmen im Dienstleistungssektor die Digitalisierung vorantreiben, Daten smart nutzen und neue Geschäftsmodelle finden können. Vom aufstrebenden Heilbronner Start-up Kurz und Klein Agentur bis hin zum etablierten IT-Dienstleister Bechtle AG – sie zeigten Beispiele zur digitalen Transformation im Service-Sektor.
Studiengangleiter Prof. Dr. Argjent Demiri zeigte in seinem Vortrag Service Next Level4.0 – Digitale Transformation , wie sich die Geschäftsmodelle über die letzten Jahrzehnte entwickelt haben. Heute können sich 58 Prozent aller Menschen nicht vorstellen, ohne Internet zu leben. Google erhält zwei Millionen Suchanfragen pro Minuten und durch das Internet of Things sind weltweit 50 Mrd. Dinge mit dem Internet verbunden. Aus all diesen Aktionen ergeben sich riesige Datenmengen, die bald die Summe von 175 Zettabyte überschreiten werden. „Daten sind heute der vierte Produktionsfaktor – sie entscheiden über die Geschäftsmodelle, die Prozesse und Produkte der Zukunft“, stellte Demiri in seinem Eröffnungsvortrag fest. Allein die vier Bigtech Unternehmen – darunter Amazon und Apple – erwirtschaften den Großteil ihres Gewinns heute nicht mehr mit physischen Produkten, sondern IT-Service-Dienstleistungen. Die Grenzen angestammter Unternehmensfelder werden verlassen - Hersteller werden zu Cloud-Dienstleistern und Streaming-Daten zu Produkten. Am Ende seines Vortrags hat Demiri die Grundstrategien für die Geschäftsmodelle von morgen und einen Vorschlag für die Umsetzung der digitalen Transformation in der Praxis aufgezeigt: Der Weg der digitalen Transformation geht in die Richtung digitaler Plattformen und Ökosysteme.
Permanent mobil – eine neue Generation von Kunden wächst heran
Die gleichen Erfahrungen machte auch der IT-Riese Bechtle AG bei seinen Kundenprojekten. Deutsche Unternehmen schöpfen noch nicht das Potential vorhandener Daten aus, um neue datengetriebene Geschäftsmodelle zu entwickeln. Thorsten Krüger von der Bechtle IT Systemhaus Holding beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Digitalisierung. „In der Entwicklung der letzten Jahre treten ganz neue Fragen in den Vordergrund. Durch das Internet sind wir alle miteinander vernetzt – die Themen Sicherheit und Identität haben heute eine andere Bedeutung als noch vor zehn Jahren.“ Der unbegrenzte Zugang ist für viele Unternehmen immer noch ein Grund sich abzuschirmen. Doch die neue Generation Z geht mit dem Thema anders um: Sie ist permanent mobil unterwegs und sieht nicht mehr die Notwendigkeit, sich und ihre Daten voneinander abzuschirmen.“
Faktor Mensch bleibt in der Gleichung
Diese Fragestellungen bringen die unwägbare Komponente ins Spiel: den Menschen und seine komplexen Ängste und Bedürfnisse. Während sich die einen schnell und immer schneller an die Digitalisierung anpassen, nehmen andere eine Verwahrungshaltung ein. Daher ist es wichtig, den Menschen nicht außen vorzulassen, sondern ihn mit seinen Stärken – der Empathie und der Kreativität - und seinen Befürchtungen durch den Prozess zu begleiten.
Das sieht auch die Agentur Kurz und Klein GmbH aus Heilbronn so. 2019 gegründet, ist die Agentur eigentlich ein Kind der Corona-Pandemie und schon früh gezwungen, alle Prozesse in den digitalen Raum zu verlagern. „Bei uns ist eigentlich nur noch die Kaffeemaschine analog“, scherzt Marius Kurz. „Wir haben eine Clean-Desk-Policy und schonen mit den digitalisierten Prozessen auch die Ressourcen.“ Doch der menschliche Faktor ist entscheidend: „Man kann nicht alles rationalisieren. Der persönliche Kontakt bleibt wichtig, egal wie gut die Systeme laufen.“ Aus den ersten drei Jahren seit der Gründung konnten sie viel mitnehmen: „Die Digitalisierung hilft bei der Informationsbeschaffung, der Marktforschung und bietet unendliche Möglichkeiten im Marketing.“
Drei Beispiele praxisintegrierter Seminararbeiten
Im Anschluss zeigten die Studierenden des Studiengangs BWL-Dienstleistungsmanagement Amina Mohammed, Johannes Zinser, Laura Voigt, Manuel Rudak und Alexander Würfel, wie nahtlos Theorie und Praxis an der DHBW ineinandergreifen. In drei Vorträgen präsentierten sie ihre Ergebnisse aus den Integrations-Seminaren: Während die erste Gruppe den Online-Shop eines Verlagshauses optimierte, erstellte die zweite Gruppe eine neue Omnichannel Strategie für ein Industrie-Unternehmen. Der dritte Auftrag kam von einem Start-up im Serious-Gaming-Bereich: Für Augmented Education werteten die Studierenden ein Spiel aus, das mit Hilfe von Augmented (Erweiterter) Realität krebskranke Kinder zur Bewegung motiviert. Die Ergebnisse der Fragebögen haben schon in die neuen Spielversionen Eingang gefunden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion wird klar, dass auch große Unternehmen von den Entwicklungen überrollt werden können: „Natürlich müssen wir uns auch selbst transformieren. Erkenntnisse, die wir bei unseren Kunden gewinnen, fließen in unsere eigenen Strukturen“, erzählt Thorsten Krüger von Bechtle. Demiri geht noch weiter: „Szenarien, die die eigenen Geschäftsmodelle in Frage stellen, müssen auf die Agenda. In Simulationen müssen disruptive und extreme Szenarien durchspielen. Denn wenn du dich nicht selbst erneuerst, tut es ein anderer.“