Online-Klausuren im Corona-Jahr - Pilotprojekt erfolgreich gestartet

Zwei Monate nach Beginn der Corona-Pandemie und damit auch zwei Monate nach der Umstellung auf eine Online-Lehre wurde an der DHBW Heilbronn im Mai ein Pilotprojekt zur Einführung von Online-Klausuren gestartet. Über die Projektergebnisse wird nun in Form eines Whitepapers berichtet. Insgesamt haben 206 Studierende, überwiegend aus dem Studiengang BWL-Handel Online-Prüfungen abgelegt und sich an der Evaluation beteiligt. Das Whitepaper von Prof. Dr. Ludwig Hierl, Prof. Dr. Oliver Janz und Gabriella-Maria Lambrecht untersucht die technischen Herausforderungen, zeigt Lösungsansätze auf und überprüft, inwiefern Studierende das neue Format angenommen haben und wie die Prüfungsergebnisse sich im Vergleich zu Präsenzklausuren entwickelt haben. Ein besonderes Augenmerk wurde auch auf Möglichkeiten der Manipulation, der Leistungsbewertung sowie der Klausureinsicht gelegt.

Schnelle und pragmatische Lösungen waren gefragt, um auch im Corona-Jahr 2020 Prüfungsleistungen für die Studierenden der DHBW anzubieten. Erstmals wurden ergänzend zu alternativen Prüfungsformen (z.B. Assignments) Online-Klausuren getestet, durchgeführt und ausgewertet. Die Herausforderung für das Team aus Dozierenden, Mitarbeiter*innen des Studiengangs, der Verwaltung und der IT bestand darin, den Einfluss des neuen technischen Formats auf die Prüfungsleistung zu minimieren. In anderen Worten: Der Umgang mit der Plattform sollte für Studierende, Prüfende und die Verwaltung intuitiv und schnell erlernbar sein, barrierefrei auf allen Endgeräten funktionieren und bisherige Paper-Pen-Szenarien abbilden können.

Zwei Systeme im Vergleich
Im Online Projekt kamen zwei Systeme zum Einsatz: das an der Hochschule gängige System Moodle in Verbindung mit einemeigenprogrammierten Word-VBA-Dokument und einer Klausuraufsicht über Zoom sowie das neue System WiseFlow. Damit in der prüfungsrelevanten Klausur wirklich alles reibungslos funktionierte und der Stress mit einem unbekannten Prüfungsformat reduziert werden konnte, wurden mit den Studierenden Pre-Tests durchgeführt. Diese Pre-Tests zeigten Probleme, die vor den anschließenden „echten“ Klausuren verbessert werden konnten.

Mit dem System WiseFlow wurden zehn abschlussrelevante Prüfungen quantitativer (Unternehmensrechnung) und qualitativer Art (Bürgerliches Recht) in sechs Kursen mit 147 Studierenden durchgeführt. Nach den Pretests wurden erste Anpassungen vorgenommen: Ursprünglich wurde die Reihenfolge der Aufgaben vorgegeben und man konnte die Antwort in den vorherigen Fragen nicht mehr korrigieren, das führte – da auch abweichend zu den anderen Modellen – zu vermehrtem Stress bei den Studierenden.

Eine der interessantesten Fragen war: Wie haben sich die Noten im Vergleich zu den Präsenzklausuren entwickelt? Die Leistungen der Studierenden ergaben bei beiden Verfahren kein homogenes Bild: entweder haben sich die Leistungen im Vergleich zu den Präsenzprüfungen sehr verbessert oder sie lagen teilweise auch deutlich unter dem Niveau des Vorjahres (Auswertung einer nicht repräsentativen Stichprobe). Bei der Mehrheit der Studierenden hat eine Online-Klausur mehr Stress verursacht als eine Präsenzklausur, die Atmosphäre empfand die Mehrzahl als angenehmer oder gleich. Das erhöhte Stresslevel lag insbesondere an der ungewohnten technischen Umsetzung. Auch das Format einer Open-Book-Klausur mit vielen Transfer-Aufgaben unterscheidet sich von den Closed-Book-Klausuren mit anteiligen reinen Wissensfragen, sodass auch hier eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen wurde.

Bis auf wenige Ausnahmen funktionierte die Technik bei beiden Online-Prüfungsverfahren reibungslos und es konnte nach den Pre-Tests eine weitgehende Standardisierung vorgenommen werden. Studierende hoben bei Online-Klausurformaten unter anderem die vertraute heimische Atmosphäre, den Wegfall der Infektionsgefahr sowie den Verzicht auf An- und Abreise als besonders positiv hervor. Fazit einer Studentin: „In Zeiten wie diesen kann man gern mehr Online-Klausuren anbieten“.

Fazit
Abschließend kann man sagen, dass einheitliche Regeln und zweifelsfreie, aber dennoch lösungsorientierte datenschutzrechtliche Vorgaben das Stellen von Online-Klausuren erleichtern würden, auch ein Bekenntnis von Hochschulen zum Online-Format ist hilfreich. Als unablässig wird erachtet, die Prüfungssituation im Vorfeld durch Testläufe, Gespräche und Alternativangebote zu entlasten.

Für die Weiterentwicklung der Formate braucht es einen interdisziplinären Austausch, vor allem mit den naturwissenschaftlichen Bereichen. Denn die Klausuren haben gezeigt, dass dort die Gefahr des Unterschleifs höher ist und die Eingabe von Formeln und Rechnungen wesentlich mehr Zeit braucht als mit Stift und Papier. Alternativ schlagen die Autor*innen eine einheitliche Ausstattung mit Touch-Screen oder digitalem Stift vor.

Weitere Informationen, auch zu Fragen der Klausurbewertung, der Klausureinsicht und der Möglichkeiten der Manipulation gibt es im Whitepaper, das unter folgender Webadresse kostenlos heruntergeladen werden kann:

<link http: www.schriftenreihe-handelsmanagement.de>www.schriftenreihe-handelsmanagement.de
<link https: doi.org zenodo.4317223>
doi.org/10.5281/zenodo.4317223