Students' Executive Talk: Audi-Werkleiter Fred Schulze über Chinas Rolle auf dem Automobilmarkt
Beim 14. Students‘ Executive Talk sprach Fred Schulze zu den Erstsemestern der DHBW Heilbronn über die Herausforderungen, die die Armada von neuen E-Autos aus China für die deutschen Autohersteller mit sich bringt, wie sich Deutschland für die Zukunft innovativer aufstellen kann und auf welche Weise sich Studierende am besten auf dem Arbeitsmarkt positionieren.
Audi-Werkleiter Fred Schulze reiht sich ein in eine lange Abfolge von herausragenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die an der DHBW Heilbronn beim Students´ Executive Talk zu Gast waren: Norbert Haug, Uschi Glas, Herta Däubler-Gmelin, Reinhold Würth und Eberhard Weiblen.
Fred Schulze ist ein vertrauter Name auf dem deutschen Automobilmarkt: Seit 30 Jahren ist der Werkleiter im VW-Konzern tätig. Er absolvierte sein Studium der Produktionstechnik und Schweißfachingenieurwesen an der Universität Magdeburg und ging 1993 zu Audi nach Neckarsulm. Nach vielen Stationen im Konzern (unter anderem als Leiter Karosseriebau bei Audi, als Fertigungsleiter im VW-Werk Emden und als Bauleiter für die Q-Reihe) leitet er heute erneut die Geschicke des Audi-Standorts, bei dem er seine Karriere begonnen hatte. Vom Headquarter in Shanghai verantwortete Schulze in der extrem herausfordernden Zeit des Corona-Lockdowns 10 Fabriken von SAIC mit einem Produktportfolio von 31 Fahrzeugmodellen von der Marken Audi, Volkswagen und Skoda.
Vom Entwicklungsland zur wirtschaftlichen Supermacht
Als ehemaliger Vice-President für Produktion und Produktionsmanagement lebte Schulze drei Jahre mit seiner Familie in Shanghai und kennt den asiatischen Staat wie kein anderer. Eine Weltmacht, die noch vor 40 Jahren als Entwicklungsland eingestuft war, ist heute Heimat vieler Superlative: China hat die größten Containerhäfen der Welt, die Züge rauschen mit 350 km/h an der Landschaft vorbei und die Volksrepublik ist das erste und einzige Land mit einer digitalen Währung. Shanghai hat das weltweit am besten erschlossene 5G-Netz. Wie wurde das möglich? Die fünf Punkte Export, Elektromobilität, Digitalisierung, Infrastrukturausbau und jetzt auch der Umweltschutz sind im chinesischen Parteiprogramm fest verankert – und werden vom Staat massiv unterstützt. Mittlerweile übersteigen die chinesischen Investitionen für Forschung die von Europa. Nach neuesten Studien kommen aus China keine Billigkopien mehr, sondern die meisten Innovationen weltweit. „Innovationen sind aus zwei Richtungen möglich: Es gibt eine blühende Startup-Kultur, aber auch Innovationen aus den großen Unternehmen heraus werden von der Regierung gepusht“, erläutert Schulze. Das zeigt sich auch in einer Umfrage der Bevölkerung: Neben dem Nationalstolz zählen der Glaube an die Technologie und die Begeisterung für die Digitalisierung zu den Top-Werten im chinesischen Volk.
Kopf-an-Kopf Rennen im deutschen Markt erwartet: Chinesen durchdringen alle Segmente
Was kommt aus China auf uns zugerollt? Inzwischen erobern die Chinesen auch den deutschen Markt: Im ersten Quartal 2022 konnten die Absätze chinesischer Autos um 167 Prozent gesteigert werden (Handelsblatt). Viele chinesische Hersteller drängen gleichzeitig auf den europäischen Markt und das mit einer Armada von Modellen – nicht nur im Kleinwagensektor, sondern mit ernsthaften Ambitionen im Luxussegment. Mittlerweile haben diese Modelle den höchsten technischen Standard: Die Batterien bei NIO-Modellen sollen in drei Minuten gewechselt werden können; Limousinen sollen eine Reichweite von 700-1.000 km haben.
Doch Schulze sieht den Wettbewerb als eine Herausforderung: Der Volkswagen-Konzern plant, bis 2032 – also drei Jahre vor dem gesetzten Datum der Bundesregierung – die gesamte Flotte zu elektrifizieren. Und das mit grünem Strom: Nicht nur, weil es die Umwelt schützt, sondern weil Kunden mittlerweile einfordern. Das Audi-Werk in den Böllinger Höfen produziert schon CO2-neutral, das Werk in Neckarsulm wird folgen.
Ein Fragenfeuer aus dem Publikum
Grüne Energien, die chinesische Konkurrenz und die Zukunft der Automobilindustrie – das sind Fragen, die junge Menschen bewegen. Ein Student aus dem Studiengang Dienstleistungsmanagement fragte nach der Möglichkeit der Speicherung und dem Transport grüner Energie. Für Schulze liegt der Ball ganz klar bei der Regierung: „Die Industrie ist vorbereitet“, so seine Einschätzung. Jetzt erfordert es einen gemeinsamen Kraftakt aller Beteiligten, die Trassen zügig zu realisieren, die Ladesysteme auszubauen und vor allem bürokratische Hürden zu beseitigen. Noch kann Deutschland seinen Vorsprung im Bereich regenerative Energien ausbauen.
Insights aus erster Hand
Schulze ist China-Experte: Von 2018 bis 2021 leitete er dort als Vice President die Produktion und das Produktionsmanagement bei SAIC Volkswagen und lebte mit seiner Familie in Shanghai. Viele Studierende fragten nach seinem besonderen Blick auf das Land: die demografische und politische Entwicklung, aber auch seine Erfahrungen im Corona-Lockdown. Die Ein-Kind-Politik sieht Schulze problematisch: Obwohl China sich mittlerweile von der strikten Vorgabe abgewendet hat, ist sie in den Familien immer noch präsent. Chinesische Familien lernten die finanziellen Vorteile eines dreiköpfigen Haushalts schätzen. Gute Ausbildung in China ist teuer; ein Studium an einer renommierten Universität kostet enorm viel. Ein Kind, auf das sich die Energie der Eltern konzentriert, bedeutet aber auch, dass die chinesische Jugend mittlerweile verwöhnt und anspruchsvoll geworden ist. „Das ist ihre große Chance, sich international zu beweisen und Leistungswillen zu zeigen“, ermutigt Schulze die dualen Studierenden im Saal. Gerade in Heilbronn sind die Chancen so hoch wie nie: Mit dem neuen KI-Zentrum und dem einmaligen Bildungscampus werden neue Entwicklungen in Produktion, Digitalisierung und Logist