Viel Luft nach oben: Neue Studie zum Nachhaltigkeits-Management in der europäischen Food&Beverage-Industrie

Eine aktuelle Studie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn zusammen mit dem B2B Food-Zulieferer Bösch Boden Spies identifiziert in Europas Food- & Beverage-Industrie nur wenige Nachhaltigkeitschampions und viel unterdurchschnittliches Engagement. Größte Herausforderung ist die vollständige Transparenz der Lieferkette in Verbindung mit den entsprechenden Qualitäts-Lieferanten.

Der nachhaltige Anbau und die Verarbeitung von Lebensmitteln haben in den vergangenen Jahren bereits deutlich an Bedeutung gewonnen. Die Corona-Pandemie hat in Verbindung mit dem anhaltenden Klimawandel das Bewusstsein für Nachhaltigkeit noch einmal gesteigert. Mit dem Richtlinienvorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz und der verschärften CSR-Berichtspflicht erhöhen auch Politik und Gesetzgebung den Druck und nehmen die Bedingungen in der globalen Rohwarenbeschaffung immer stärker in den Fokus.


In der aktuellen Studie „Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Food Supply Chain - Das Nachhaltigkeitsmanagement der europäischen Food- & Beverage-Industrie und ihre Anforderungen an die globalen Rohwaren-Lieferanten“ analysieren die Professor*innen und Leiter*innen des Studiengangs BWL-Food Management an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Heilbronn, Dr. Carolyn Hutter und Dr. Carsten Leo Demming gemeinsam mit dem B2B Food-Rohwaren Zulieferer Bösch Boden Spies das Nachhaltigkeitsmanagement der 200 umsatzstärksten Food- & Beverage-Produzenten Europas.

Das Studiendesign
Dazu führten sie auf Basis von 63 Indikatoren eine umfassende quantitative Inhaltsanalyse der jeweiligen Nachhaltigkeitskommunikation in Verbindung mit 18 Leitfadeninterviews mit den Nachhaltigkeitsverantwortlichen verschiedener Unternehmen durch. Damit ist diese Studie die umfangreichste Studie zur Nachhaltigkeitskommunikation und –transparenz im Food- und Beverage-Markt und somit ein valides Abbild des Status-quo. Die Bewertung des Entwicklungs- und Reifegrads als Prozentwert (X von möglichen 100 Punkten) erlaubt dabei einen umfassenden Vergleich des Nachhaltigkeitsmanagements von Europas Food- & Beverage Produzenten.

Zentrale Ergebnisse der Untersuchung

  • Mit einem Durchschnittswert von 37% weist das Nachhaltigkeitsmanagement von Europas 200 umsatzstärksten Food- & Beverage-Produzenten nur einen mittleren Entwicklungs- und Reifegrad auf
  • Lediglich zwölf Unternehmen in Europa erreichen mit 75 %+ ein hohes Niveau. Top-Performer sind die Beverage-Produzenten CocaCola (83 %), Lavazza (82 %) und Carlsberg (82 %)
  • Nahezu alle Unternehmen machen ihr Nachhaltigkeitsengagement als Teil ihrer unternehmerischen Verantwortung mittlerweile transparent, wobei Umfang, Detailgrad und Aktualität der Informationen sehr stark variieren
  • Der wachsende Reifegrad verdeutlicht sich an der erkennbaren strategischen Bedeutung in der Unternehmenssteuerung: So haben 41 % der untersuchten Unternehmen eine/n Nachhaltigkeitsverantwortliche/n, 49 % kommunizieren eine Nachhaltigkeitsstrategie, 46 % veröffentlichen einen Nachhaltigkeitsbericht und 39 % haben einen Lieferantenkodex
  • Top-Sektoren sind die Kaffee- und Tee-Hersteller sowie Erzeuger alkoholischer Getränke vor den übrigen Getränke- und Food-Herstellern  
  •  Neben der Sektorzugehörigkeit hat vor allem die Unternehmensgröße (Anzahl der Mitarbeiter/innen) in Verbindung mit der Rechtsform einen statistischen Einfluss auf den Umfang und die Qualität der Nachhaltigkeitstransparenz
  • Die größten Herausforderungen im Nachhaltigkeitsmanagement sind intern das passende Mindset der Mitarbeiter, das fehlende Know-How sowie die fehlende Datengrundlage und extern das notwendige Verständnis der Kunden, die fehlenden bzw. unzureichenden Daten in der Lieferkette sowie die Rohstoffknappheit bzw. die erschwerte Verfügbarkeit
  • Nur wenige Unternehmen machen bislang die komplexen Lieferströme ihrer Supply-Chain transparent, obwohl die befragten Expert/innen Transparenz, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sowie Klimaschutz als die Top-Auswahlkriterien für Lieferanten nennen

„Wir haben bewusst den provokanten Titel ‚Embrace your Pain‘ für unsere Studie gewählt, weil uns völlig klar ist, wie schwer sich alle Lebensmittelproduzenten gerade angesichts des aktuell verschärften Kostendrucks damit tun, zusätzlich in Nachhaltigkeit zu investieren“, so Studienleiterin Hutter, die sich seit mehr als zehn Jahren beruflich mit der erfolgreichen Implementierung eines Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen befasst. „Doch gleichzeitig wird immer deutlicher, dass wir die Phase des Greenwashings verlassen und Nachhaltigkeit zu einem Hygienefaktor wird, der mittelfristig über die Teilnahme an unserem Foodsystem entscheidet.“ Insofern müsse jedes Unternehmen sich den Herausforderungen stellen, auch wenn sie im ersten Schritt im Hinblick auf Aufwände und Komplexität schmerzhaft sein könnten.

Der Elefant im Raum: Die Komplexität der globalen Lieferströme
„Das gestiegene Niveau an Nachhaltigkeitsengagement der europäischen Food- & Beverage-Industrie ist ermutigend. Auffällig ist jedoch auch, dass die Lieferantenseite in der globalen Food Supply Chain heute noch der Elefant im Raum ist: Jede/r Nachhaltigkeitsmanager/-in weiß, dass er/sie mehr Transparenz in seine globalen Lieferströme bringen muss, hat aber gleichzeitig Respekt vor der Komplexität der Datenerfassung und –bewertung sowie den möglichen Konsequenzen, wenn Lieferanten die gesteckten Anforderungen nicht erfüllen“, so Co-Autor Demming. Die aktuelle Pandemie hat diese Situation noch zusätzlich verschärft: „Um die Lieferfähigkeit weiterhin zu gewährleisten, sehen sich viele Produzenten gezwungen, ihren Lieferantenpool auszuweiten. Das schafft zusätzliche Komplexität.“

Die Detailergebnisse der Studie inklusive konkreter Handlungsempfehlungen stehen zum kostenlosen Download unter <link www.food-management.onlin www.food-management.online external-link-new-window "Opens external link in new window">www.food-management.online </link>zur Verfügung.