Was man als Geschäftsführer von einem Studenten lernen kann - Reverse Mentoring zu Bio-Perspektiven in Baden-Württemberg
Wer das Experiment wagt, braucht Mut: Beim Reverse Mentoring schulen Studierende des Studiengangs BWL-Food Management an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn erfolgreiche Unternehmer*innen aus der Öko-Branche. Junge Menschen denken und reden anders über Bio/Öko als ältere und erfahrene Akteure der Bio-Agrar- und Ernährungswirtschaft, so die Projektthese. Initiiert wurde das Reverse Mentoring vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und der DHBW Heilbronn unter Leitung von Prof. Dr. Carolyn Hutter, Studiengangsleiterin in BWL-Food Management.
Dominik Tress, der jüngste der vier Tress-Brüder und Geschäftsführer des gleichnamigen Familienunternehmens aus Ehestetten, hat sich als Mentee auf das Projekt eingelassen. Wir haben mit ihm und seinem Mentor, dem BWL-Food Management-Studenten Luis Sanktjohanser, darüber gesprochen, wie sie den Rollentausch erlebt haben und warum es viel zu tun gibt, um die Landwirtschaft in Deutschland zukunftsfit zu machen.
Generation Z isst gerne Fleisch und Wurst
Dominik Tress lässt sich gerne von dem 13 Jahre jüngeren Luis Sanktjohanser beraten: „Das war schon spannend, vor allem, weil Luis ein sehr interessanter und inspirierender Mensch ist.“ Beiden habe der Austausch auf Augenhöhe viel Freude bereitet, zugleich ist sich Sanktjohanser sicher: „Meine Sicht auf den Markt ist in einigen Punkten eine andere“. Etwa beim Convencience-Sortiment der Tress-Brüder würde Luis Sanktjohanser mehr Fleischprodukte einführen. Hier finden sich nach den Sortimentsanpassungen der letzten Jahre vegetarische und vegane Produkte. Ein Trend, den auch das Statistische Bundesamt zum Essverhalten der Generation Z bestätigt: Demnach legt die Generation Z viel Wert darauf, dass Produkte von Tieren aus artgerechter Haltung kommen. Ein klarer Trend pro ökologischer Lebensmittelwirtschaft, den auch Tress zusätzlich zum vegetarischen und veganen Sortiment nutzen könnte.
Was die deutsche Landwirtschaft der Zukunft braucht
Eine der größten landwirtschaftlichen Herausforderungen der Zukunft sieht Sanktjohanser darin, die Spaltung zwischen biologisch-ökologischer und konventioneller Landwirtschaft zu verhindern: „Uns muss klar sein, dass wir eine Transformation der Land- und Lebensmittelwirtschaft brauchen, um die Zukunft unserer Ernährung einerseits zu sichern und andererseits eine Antwort auf den Klimawandel zu liefern. Ein großer Teil der Emissionen kommen aus der Lebensmittelerzeugung, da muss noch mehr passieren, das geht aber nur, wenn alle Parteien ihr Möglichstes dazu beitragen.“ Dominik Tress ist überzeugt, dass für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Deutschland ein Umdenken der Konsument*innen in den Köpfen stattfinden muss: „Es muss zuerst wieder eine Verbindung zwischen Mensch und Natur geschaffen werden. Das beginnt im Herzen und geht dann in den Kopf. Wir verändern nachhaltig nur etwas, wenn wir das Thema in der Bildung viel höher aufhängen.“
Eine weitere zentrale Herausforderung sieht Sanktjohanser in den offenen Märkten: „Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Ländern ohne nennenswerte Sozialstandards und geschützte Arbeitsbedingungen verzerren die Marktpreise in Deutschland und sorgen dafür, dass Landwirtschaft in Deutschland wirtschaftlich nicht immer tragfähig geführt werden kann – trotz Subventionen“, hier müssten die Rahmenbedingungen gesetzlich angepasst werden.
KI in der Landwirtschaft – Was leistet sie in Zukunft?
Auch was das Thema Digitalisierung und KI in der Landwirtschaft anbelangt, haben Mentor und Mentee unterschiedliche Blickwinkel. Welche Möglichkeiten bietet die KI, um den Agrarsektor effizienter zu machen? Während Sanktjohanser darin Chancen sieht, die Produktion zu optimieren und Prozesse zu vereinfachen, bleibt Tress zurückhaltender: Auch er sieht Chancen, es überwiegt aber die Sorge, dass hier ein Mindset vom Landwirt als „Turbo-Unternehmer“ geprägt werde könne.
Der Mensch im Mittelpunkt
KI hin oder her, Sanktjohanser ist sich sicher, dass die Ernährungsbranche auch in Zukunft nicht um einen hohen Personaleinsatz herumkommen werde. Und auch was das Geschäftsmodell selbst angehe, müsse der Kunde mehr in den Mittelpunkt rücken: „Weg vom reinen Hersteller hin zu mehr Service, mehr Bindung und persönliche Beziehung zum Kunden ist für uns beide ein klarer Weg, den wir gehen werden“, resümiert Sanktjohanser.
Geglücktes Experiment
Mentor und Mentee sind sich einig, das Reverse Mentoring hat sich für beide Seiten gelohnt: „Mit Dominik Tress habe ich einen wunderbaren Mentee, mit dem ich sehr offen und in beide Richtungen kommunizieren kann“, freut sich Sanktjohanser über den Austausch. Auch Tress habe einiges für sich mitgenommen. „Ich lasse mich gerne beraten, egal von wem und welches Alter. Ich kann ja nur dazu lernen, daher finde ich, das ist ein super Projekt.“