Wie weit ist Heilbronn auf dem Weg zur Schwarmstadt? Langzeitstudie als Kompass für die Stadtentwicklung
Diese Frage beantwortet jetzt zum dritten Mal die neue Studie von Prof. Dr. Yvonne Zajontz und Robert Mucha, die in dieser Woche erschienen ist. Bei-de Autor*innen untersuchen seit mittlerweile fünf Jahren das Schwarmstadtpotential ihrer Heimatstadt. BUGA, Corona, Klimakrise – wie haben diese Faktoren in den letzten Monaten und Jahren auf die Stadtentwicklung Einfluss genommen und wo stehen wir jetzt? Auf 17 Seiten gibt der neue Band detaillierte Auskünfte in Zahlen, Grafiken und Handlungsempfehlungen. Illustrationen von Isabelle Hagner und Fotografien von Meli Dikta begleiten die Studie.
Als Schwarmstadt gelten Städte, die vor allem auf junge Menschen attraktiv wirken. Ein Ort, an dem sich der Schwarm niederlässt und bleibt. Schwarmstädte sind Hochschulstädte, oft in Verbindung mit einer hohen Wirtschafts- und Innovationskraft der Region. Insofern erfüllt die Großstadt am Neckar viele der Kriterien: Heilbronn ist eine Stadt im Aufbruch, die trotz der Herausforderungen der Pandemie ihre Innovationskraft und Ideenvielfalt unter Beweis gestellt hat und das Potenzial hat, sich in eine nachhaltige Schwarmstadt zu verwandeln.
Ein Vergleich über fünf Jahre hinweg
Die Studie basiert auf einer quantitativen Erhebung in Form einer standardisierten Online-Befragung, die in den Jahren 2017, 2020 und 2022 durchgeführt wurde. Allen drei Befragungen liegt ein nahezu identischer Fragebogen zugrunde. Der Vorteil einer Langzeitstudie wie dieser ist der kontinuierliche Blick auf die Veränderungen der Ansichten, Wahrnehmungen und Wünsche der Befragten. Doch nicht nur die Fragen, sondern auch die Proband*innen sind zum großen Teil dieselben geblieben und sind daher mit der Dauer der Studie gealtert (Durchschnittsalter von 37 auf 40 Jahre erhöht). Die Familienplanung ist fortgeschritten (mehr verheiratete Paare, mehr Kinder) und ebenso die Karrieren (mehr Berufstätige, weniger Schüler*innen und Student*innen).
Bessere Schulnoten für Heilbronn
Eins gleich vorweg: Die Schulnoten für Heilbronn haben sich – wenn auch nur leicht – verbessert. Die Bewertung für die allgemeine Zufriedenheit hat sich im Verlauf von fünf Jahren von 3,22 auf 3,05 gesteigert. Ein Faktor für das anhaltende Mittelmaß ist mit Sicherheit die schwäbisch-kritische Mentalität, denn immer noch will ein Großteil der Befragten nicht aus Heilbronn wegziehen: immerhin zwei Drittel planen mit hoher Wahrscheinlichkeit in Heilbronn zu bleiben. Auch die Bewertung der Lebensqualiät erreicht stabile Werte: 2022 bewerten über 55 Prozent die Lebensqualität in Heilbronn als hoch oder eher hoch (2020 stieg der Wert sogar auf 64 Prozent). In anderen Worten: Die Befragten sehen viel Potenzial für Veränderungen, vor allem in einer zukunftsfähigen Verkehrsstruktur, einem Innenstadtmix aus Boutiquen, Cafés, Kneipen und Restaurants, einer wirklich digitalen Stadt und besserer Kinderbetreuung. Minuspunkte gab es für die wenig einladende Atmosphäre der Fußgängerzone, bezahlbarem Wohnraum und die fehlenden Festivals und Clubszene.
Die DNA der Stadt verändert sich
Schaut man auf die Punkte wichtige Sehenswürdigkeiten und Assoziationen mit Heilbronn ist eins klar erkennbar: die DNA der Stadt wandelt sich. War Heilbronn früher eher Industriestandort und Käthchenstadt, wird Heilbronn heute zuerst als Stadt am Fluss wahrgenommen. Die Experimenta und die Neckarmeile haben den Wartberg in der Liste der Attraktionen verdrängt, selbst die Kilianskirche steht 2022 nur noch auf Platz drei. Heilbronns Image als Wissensstadt und zukünftigen europäischen KI-Hotspot zu platzieren, erfordert noch Arbeit. Auch die einzigartige Start-up-Förderlandschaft in Heilbronn ist noch nicht im Image verankert – die Befragten wünschen sich eine bessere Förderkultur für Startups.
Herausragend ist der Wandel von Heilbronn zur touristischen Destination – sicher auch dem unermüdlichen Ausbau der touristischen Angebote geschuldet: Wollten 2017 nur 35 Prozent der Befragten Heilbronn als touristisches Ziel empfehlen, ist dieser Wert 2022 um zehn Prozentpunkte gestiegen.
Unter dem Brennglas: die Heilbronner Innenstadt
Ob Wollhausentwicklung, Sommerzone oder neue Hotels, Fragen nach der Innenstadtgestaltung bleiben aktuell. Gerade deshalb ist es wichtig, sich noch intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Corona-Pandemie ist zwar vorbei, aber Entwicklungen wie die Verlagerung des Handels ins Netz, der Fachkräftemangel in der Gastronomie und der Klimawandel bestehen weiter. Die Kreativen und Bildungsinstitutionen der Stadt haben die Pandemiepause genutzt, um das Potential von Heilbronn weiter zu entwickeln. Die Maschinenfabrik als Kreativzentrum und der Urban Innovation Hub sind bereits Realität, Konzepte für eine Markthalle oder Surfwelle warten auf ihre Umsetzung. Doch was wünschen sich die Bürger*innen von ihrer Stadt? Ein flächendeckendes WLAN in der Stadt (68,8 Prozent sehr wichtig oder wichtig), mehr Weinerlebnisangebote (60,4 Prozent) und eine Markthalle (58,6 Prozent) waren unter den TOP 3-Wünschen der Befragten.
Auf die Frage, was den Bewohner*innen fehlt, lagen Restaurants und Cafés für 139 der Befragten an erster Stelle, 60 wünschen sich ein breiteres Kulturangebot, auf Platz drei lagen mit 46 Stimmen vielfältigere Einkaufs- und Shoppingmöglichkeiten. Jetzt hofft Co-Autorin und Marktforscherin Prof. Dr. Zajontz auf eine Umsetzung: „Die Relevanz dieser Studie liegt in ihrer Fähigkeit, sowohl die aktuellen Stärken als auch die zukünftigen Herausforderungen von Heilbronn zu identifizieren. Sie ist ein Kompass für die zukünftige Stadtentwicklung“.
Premiere für den „Schwarmstadt-Podcast“
„Die Zukunft von Heilbronn als Schwarmstadt ist greifbar. Mit der Studie und unserem neuen Podcast haben wir die Werkzeuge, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen“, wünscht sich Robert Mucha, Journalist, Stadtentwickler und Co-Autor der Studie. In 16 spannenden Folgen taucht der Podcast tiefer in die Themen der Studie ein und beleuchtet die Stadtentwicklung Heilbronns aus verschiedenen Perspektiven. Mit einer Mischung aus Experteninterviews, Diskussionen und Storytelling bietet der Podcast ein umfassendes Verständnis der Dynamik und des Potenzials von Heilbronn. Gestreamt werden kann der Podcast auf allen gängigen Plattformen.
Eine der Interviewpartner*innen ist die Rektorin der DHBW Heilbronn, Prof. Dr. Nicole Graf. Für die Rektorin ist die Arbeit der DHBW Heilbronn einer der Motoren zur Stadtentwicklung: „Seit unserer Gründung 2010 haben wir Projekte wie Heilbronn 2023 und Schwarmstadt Heilbronn initiiert und so vor allem junge Studierende aktiv an der Stadtgestaltung beteiligt. Gemeinsam mit den Akteuren in der Stadt arbeiten wir daran, die Vision der Schwarmstadt weiter zu verfolgen, sei es durch die Machbarkeitsstudien für die Markthalle, die Surfwelle oder die Sportstadt Heilbronn. Es ist fantastisch, Teil einer dynamischen Stadt wie Heilbronn zu sein und die Zukunft mitzugestalten“.
Zum Podcast geht es hier:
https://podcasts.apple.com/de/podcast/schwarmstadt-der-stadtentwicklungspodcast-aus-heilbronn/id1702173529
https://open.spotify.com/show/4ZOUBOiMMS08E7jvdAXkWn?si=GnKTRNMaQWK6_HQSTasNFg&nd=1
Schwarmstadt Heilbronn
Eine entwicklungsperspektivische Betrachtung von Heilbronn auf Basis der Schwarmstadtstudien aus den Jahren 2017, 2020 und 2022
Hrsg.: Prof. Dr. Yvonne Zajontz, Robert Mucha
Verein für Zukunftsvisionen
Zum Download der Studie geht es hier:
https://www.heilbronn.dhbw.de/fileadmin/user_upload/dhbw/downloads/Forschung/VFZIHN_Schwarmstadt_Magazin_ANSICHT_final.pdf